| Ich habe soeben eins von den vielen Angeboten, die wir fast täglich von Lebensmittelgeschäften bekommen, gelesen. Angebote über Schweinefleisch, zart und saftig, zurechtgeschnitten als Schnitzel, als Cordon bleu vorbereitet, Rouladen am Spieß, Steaks zum Grillen, die beliebten Bratwürstchen, die in der warmen Jahreszeit
nicht bei Grillpartys fehlen dürfen, alles ist preisgünstig zu haben. "So manche Hausfrau wird dieses preisgünstige Angebot nutzen und ein Stück Schweinefleisch als willkommene Beilage zu Gemüse und Salat ihrer Familie gut zubereitet auf den Tisch bringen, und ich stelle mir vor, so manche Mutter wird wieder mal wegen dieser gelungenen Mahlzeit mit einem Lob bedacht.
Ich möchte nun die Frage stellen, die mich bewegt und ich möchte die jüngere Generation ansprechen, vor allem die
Kinder, wer hat wohl von Euch ein lebendes Schwein gesehen, ihm einmal mit der Hand seinen borstigen Rücken gestreichelt? Ich glaube, diese Frage darf man heute sogar der Landbevölkerung stellen. Der enge Kontakt mit den Tieren ist doch weitgehend verlorengegangen, und das hat der Fortschritt mitgebracht. Ich möchte weit in dem Buch meiner Erinnerungen zurückblättern. Meine Eltern besaßen eine kleine Landwirtschaft und ich war schon als Kind mit allen Tieren so vertraut, ich möchte nicht vom
Thema abkommen und so weit ich mich erinnern kann, nur erzählen von einem Schweineleben, wie es in der damaligen Zeit so allgemein ablief.
Es war Ende Februar, das letzte Schwein war geschlachtet und es war an der Zeit, daß wieder Ferkel gekauft wurden. In unserem Dorf gab es Bauern, die Ferkel züchteten. Am Tag zuvor, wo Markttag in Weilmünster war, ging nun mein Vater um aus einer Schar, ich weiß nicht, waren es sieben oder gar noch mehr, die in dem Stall durcheinanderliefen,
wunderschöne rosige Ferkel und der Bauer hat die zwei, die mein Vater ausgesucht hatte, mit einem Buntstift gezeichnet, sie galten wohl als verkauft, wurden aber doch am anderen Tag noch mit auf den Markt genommen und dort wurde dann der Preis ausgehandelt.
Wir Kinder konnten ja nicht mit zum Markt, wir mußten ja zur Schule. Bis wir dann zum Mittagessen nach Hause kamen, waren dann zwei wunderschöne Ferkel im Stall mit einem grünen Zeichen auf dem Rücken. Die Eltern hatten für meinen
Bruder und mich ein Marktstück mitgebracht, das war ein frisches Brötchen und ein Stück Fleischwurst. Ja welche Freude, welche Überraschung. Die ersten zwei, drei Tage waren die Kleinen wohl noch recht scheu, so ohne Mutter im fremden Stall, aber wir hatten schnell Freundschaft geschlossen. Mittags, wenn die Sonne schien, durften sie in den Hof und mit Vorliebe liefen sie den Hühnern nach, die dann sich meist auf den Mist retteten.
Nun möchte ich noch was von der Fütterung
schreiben. Der Trog, der den Schweinen zur Fütterung diente, war ja für die Kleinen zu tief. Für sie gab's den Ferkeltrog, ein aus Holz hergestellter flacher Trog, er wurde nur die erste Zeit zur Fütterung benutzt. Ja, und was füttert man so einem 6 Wochen alten Ferkelchen? Die Mutter kochte von Haferflocken einen Brei, gab Milch dazu und ein paar sehr fein zerdrückte Kartoffel und als Zusatz für die Knochen gab's Brockmann Futterkalk. Nach und nach wurde dann ihrem Alter entsprechend das
Futter umgestellt. Als Beifutter gab's auch etwas Grünfutter, das mit hörbarem Schmatzen gern angenommen wurde. Wir hatten immer unsere Freude mit den jungen Schweinen, strich man ihnen über den Bauch, dann legten sie sich hin und wenn man sie rief, waren sie manchmal folgsam wie ein Hund.
Bei uns war es so, die Schweine im Dorf wurden mittags zur Säuwaad getrieben (Die Säuwaad ist außerhalb des Dorfes ein Stück Brachland mit Baumbestand). Auch unsere zwei, als sie aus dem Ferkelalter
waren, gingen mit. Ich war natürlich immer dabei und paßte auf unsere zwei besonders auf. Es war eine alte Frau, die mit der Verantwortung beauftragt war, sie besaß einen großen schwarzen Hund, der, wenn's Not war, mit lautem Gebell die Herde zusammenhielt.
Ich möchte es nun so schreiben, ein jedes Tier nimmt Anspruch auf das, was seinem Wesen von der Schöpfung her so zugedacht ist und das ist auch mit den Schweinen so. Auf der Säuwaad bildeten sich nach einem Regenwetter große
Wasserpfützen und wenn wir dann Mittags dort hinkamen, rannten sie los und jedes versuchte sich dann in der größten oder tiefsten zu suhlen, das war so was wie ein Schlammbad. Wenn wir dann nach Hause gingen, sahen fast alle wie Wildschweine aus, der Schlamm war dann angetrocknet. Aber diese Zeit ging viel zu schnell vorbei, aus unseren Ferkelchen waren nun große Schweine geworden. So nach und nach erfolgte eine Futterumstellung, man merkte es, sie liebten mehr die Ruhe, ihr Körper hatte an
Gewicht zugenommen, ja, so einen gemütlichen Spaziergang, aber das Herumrennen ließen sie den Jüngeren zukommen. Ich fand, von dieser gemütlichen Sorte gab es nun immer mehr bei der Herde und so nach und nach blieben sie zu Hause in ihrem Stall und es war ja Herbst und sie gingen langsam ihrer Bestimmung entgegen, es war nun mal ihr Los, aber die Zeit die ihnen vergönnt war, durften sie so leben, wie es ihrem Wesen entsprach. Artgerechte Haltung, dieses neue Wort, welches wir ja früher nicht
kannten, würde ja passen, es bedeutet wohl das Gegenteil von Massentierhaltung, wie sie heute praktiziert wird. Mich macht es sehr sehr traurig, daß die Tiere, die von der Schöpfung den Menschen anvertraut sind, nur noch als Mittel zum Zweck dienen, um den erreichten Wohlstand möglichst auf schnellstem Weg, der aber zur Last der Tiere geht, weiter auszubauen.
Unsere Schweine gehörten keiner besonderen Rasse an, es waren Schweine mit Schlappohren, bei denen nicht auf einen schlanken
Körper geachtet wurde und sie waren mit 10-12 Monaten schlachtreif. Wir haben damals unsere Schweine gefüttert, wie's unsere Vorfahren taten. Wir kochten in einem großen Topf Kartoffel, Dickwurz, Abfälle die es im Haushalt gab und vor allem Getreide, Schrot und Milchabfälle. In den letzten Wochen wurde der Gerste, die zum Schroten kam, noch ein großer Teil Korn beigemischt. Gutes Futter, ein sauberer Stall und ein kleiner Spaziergang an jedem Tag und wir hatten immer gesunde Tiere, wir
benötigten keinen Tierarzt. Zwei Hausschlachtungen, die eine meist vor Weihnachten, die andere im Februar und wir hatten die Gewißheit, daß wir ein Jahr mit Fett, Fleisch und Wurst versorgt waren. Durch ein alt hergebrachtes Verfahren, das Fleisch wurde in einer großen Holzhütte nachdem die großen Teile, sowie Schinken, Speck und Seitenteile mit Salz rundum gut eingerieben in einer Salzlauge eingelegt, so ungefähr 5 Wochen lang. Das Fleisch wurde jeden zweiten Tag begossen. An der Bütte an
einer Seite, ziemlich nahe am Boden, befand sich ein Holzstöpsel, ein Eimer würde untergestellt, die Lauge, die man so auffing, wurde über das Fleisch gegossen, damit alles gleichmäßig mit Lauge bedeckt war. Die Wurst wurde, nachdem sie gut in der Luft abgetrocknet war, in den Rauchfang aufgehängt (der Rauchfang war an dem Schornstein angemauert und durch eine Vorrichtung wurde der Rauch von Ofen und Herd durch den Rauchfang umgeleitet und die Würste und später das Fleisch wurde so schön
geräuchert, nur durfte in dieser Zeit nur Buchenholz gefeuert werden). Das Schmalz wurde in Steintöpfen aufbewahrt. Das war nun der Vorrat, der übers Jahr reichen mußte. Frisches Fleisch gab es höchstens an einem Feiertag oder wenn sich Besuch angemeldet hatte.
Für die jüngere Generation wird es kaum glaubhaft sein, denn nur die Alten werden's bestätigen können, daß damals die Landbevölkerung ihre ganze Lebensweise einteilen mußte, nach dem, was sie aus ihrer Landwirtschaft selbst
erzeugen konnte. Und ich glaube, die Menschen waren damals zufriedener als heute.
Ein Angebot von einem Großmarkt gab mir eigentlich den Anstoß, zu schreiben. Angebote von Schweinefleisch, und mir kam der Gedanke: "Wie mag wohl das Leben dieses Tieres gewesen sein?" Und ich dachte zurück an mein Elternhaus und wie dort so ein Schweineleben verlief und ich möchte dieses neue Wort benutzen: Es war ein Schweineleben nach artgerechter Haltung.
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